Der Unterschied
EMS = Elektrische Muskelstimulation
Dahinter steckt das Prinzip, die Muskeln mit Hilfe elektrischer Impulse zu stimulieren und zu kräftigen. Mit EMS ist es möglich, die gesamte Skelettmuskulatur auf eine einfache und sichere Art zu trainieren. Die Wirksamkeit und Sicherheit von EMS-Training wurde bereits in unterschiedlichen Studien wissenschaftlich belegt. [1]
Elektrische Muskelstimulation beruht auf einem körpereigenen Prinzip
Wenn unsere Sinnesorgane wie Augen, Ohren, Nase und Haut Reize aus der Umwelt empfangen – wir also etwas sehen, ein Geräusch hören oder den Regen auf unserer Haut spüren, werden diese Informationen an das Gehirn weitergeleitet, dort verarbeitet und entsprechende Körperreaktionen ausgelöst. So erteilt beispielsweise das Gehirn den Muskeln den Befehl, sich anzuspannen. Die Kommunikation des Gehirns mit den Muskeln und Organen erfolgt dabei mittels elektrischer Signale. Das heißt: Alles, was wir sehen, riechen, schmecken, fühlen, jeder Gedanke und jede Bewegung ist das Ergebnis von Elektrizität. Elektrische Signale sind für unseren Körper also nichts Fremdes.
Strom ist nicht gleich Strom
Beim EMS-Training kommen zwei unterschiedliche Stromformen zum Einsatz: rein niederfrequenter oder „modulierter“ mittelfrequenter Strom. Aber welche Effekte lassen sich mit mit welchen Impulsen erzielen? Ausschlaggebend für die Wirkweise des Stroms ist neben der Dauer und der Breite des Impulses auch die Frequenz, das heißt, die Anzahl der elektrischen Impulse pro Sekunde. Je nach Höhe der Frequenz werden unterschiedliche Muskelfasertypen angesprochen.
Wie oben gut zu sehen, ist die C1 (gelb) Impulssequenz eine modulierte Mittelfrequenz. Darunter in C2 (grün) dargestellt ist die gleiche Impulssequenz mit einem niederfrequentem Reizstrom. Vom oberen (100ms) bis zum unteren (2ms) Screenshot, wird auf dem Oszilloskop in die gleiche Impulssequenz hineingezoomt. Damit wird anschaulich verdeutlicht wie viel mehr. Strom der modulierten Mittelfequenz im Vergleich zur Niederfequenz bei gleicher Zeitspanne in den Körper gelangt. Die Pausen zwischen den Impulsen machen hierbei den großen Unterschied aus! Während bei C1 (gelb) permanent ein Stromfluss generiert wird um den Muskel zu aktivieren, erreicht man mit C2 (grün) in Abständen, durch kurze Impulsstöße und ohne Modulation die Muskulatur. Auch wenn man mit C2 (grün) kurzzeitig durch Impulsstöße in Bereiche der Mittelfrequenz vorstößt, hat das nichts mit einer echten modulierten Mittelfrequenz zu tun, weil diese kurzen Impulsstöße keine Anpassungen in der Muskulatur bewirken können.
Rote und weiße Muskelfasern
Die Skelettmuskulatur ist aus verschiedenen Muskelfasertypen zusammengesetzt. Sie besteht aus den roten, langsam ermüdenden Typ-I-Muskelfasern, die weniger intensiv, aber dafür ausdauernd arbeiten und den weißen Typ-II-Muskelfasern, die für einen kurzen Zeitraum sehr viel Kraft entwickeln können, aber schneller ermüden als die roten.
Die roten Muskelfasern arbeiten fast permanent: Dank ihrer Hilfe können wir alltägliche Bewegungen und Körperhaltungen wie Sitzen, Stehen oder Gehen ausführen. Die weißen Muskelfasern sind dicker und haben ein ausgeprägteres Wachstumspotential als die roten. Durch Krafttraining kann die Menge der weißen Muskelfasern zwar nicht erhöht werden, aber ihr Durchmesser wird größer, das heißt, die Muskelmasse wächst.
Welche Muskelfasern reagieren auf welche Frequenzen?
Da die roten und weißen Muskelfasern verschiedene Funktionen erfüllen und über unterschiedliche Eigenschaften verfügen, sprechen sie auch auf unterschiedliche Stromfrequenzen unterschiedlich an.
Auf den Impuls übertragen bedeutet das:
• Bis zu ca. 40 Hz reagieren hauptsächlich die ermüdungsarmen, roten Typ-I-Fasern
• Bei Frequenzen zwischen ca. 50 bis 100 Hz werden vornehmlich die schnell ermüdenden, weißen Typ-II-Muskelfasern stimuliert
• Zwischen 20 und 30 Hz werden Typ-I- und Typ-IIa-Muskelfasern kombiniert angesprochen
• Bei Impulsen zwischen 2-15 Hz schüttet der Körper zusätzlich Hormone aus, die Schmerzen entgegenwirken und gleichzeitig die Stimmung aufhellen
Je höher die Frequenz, desto niedriger der Widerstand
Bevor das elektrische Signal zu den Muskeln und Nerven vordringt, muss der Strom zuerst den galvanischen und den kapazitiven Widerstand der Haut überwinden. Dabei gilt das Prinzip: Je höher die Frequenz, desto geringer der Widerstand.
Für die Niederfrequenz (NF) bis 1.000 Hz stellt der kapazitive Widerstand der Haut eine hohe Barriere dar – dadurch dringt der Strom weniger in die Tiefe. [2] Deshalb wird der reine NF-Impuls von Anwendern auch manchmal als „pieksig“ empfunden.
Für die Mittelfrequenz (MF) ab 1.000 Hz ist der Hautwiderstand kein Problem. Durch den minimalen kapazitiven Hautwiderstand dringt der mittelfrequente Strom tiefer ein. [3] Deshalb wird der MF-Strom von Anwendern auch als angenehmer empfunden. Dadurch werden wiederum höhere Impulsstärken möglich, die durch stärkere Muskelkontraktionen intensivere Wirkung hervorrufen.
Ein weiterer Unterschied
Bei der Niederfrequenz wird die Kontraktion der Muskelfasern ausschließlich über den Nerv ausgelöst, während der mittelfrequente Strom die Muskelzelle direkt anspricht. Hinzu kommt: Die Mittelfrequenz hat im Unterschied zur reinen Niederfrequenz eine Tiefen- und Volumenwirkung, die dazu führt, dass die elektrischen Impulse tiefer eindringen und breitflächiger wirken.
Niederfrequenz vs. Mittelfrequenz – die Mischung macht’s
Optimale Trainingsergebnisse erzielt die Kombination aus Mittelfrequenz und Niederfrequenz: Die Mittelfrequenz fungiert dabei als so genanntes „Trägersignal“. Dadurch dringt der Impuls tiefer ein und wirkt breitflächiger. Gleichzeitig führt der niederfrequente Strom zu einer intensiven Kontraktion der Muskelzellen.
Die modulierte Mittelfrequenz
Damit die Effekte der Mittelfrequenz mit denen der Niederfrequenz gemeinsam ihre optimale Wirkung entfalten können, wird der mittelfrequente Strom durch verschiedene Verfahren verändert, das heißt „moduliert“. Durch die Modulation wird eine ideale Eindringtiefe der elektrischen Impulse erreicht sowie die Zellaktivität und der Zellstoffwechsel gezielt gefördert. Dabei werden nicht nur Muskelzellen, sondern auch Hautzellen, Fettzellen und das Bindegewebe erreicht, aktiviert und zum Stoffwechsel angeregt.
Last but not least
Mit modulierter Mittelfrequenz können sowohl die intermuskuläre Koordination (das Zusammenspiel von Agonisten und Antagonisten), als auch die intramuskuläre Koordination (das Zusammenspiel von Nerven und Muskelfasern innerhalb eines Muskels) besonders effektiv verbessert werden.
[1] Vgl. Wolfgang Kemmler, Anja Weissenfels, Sebastian Willert, Mahdieh Shojaa, Simon von Stengel, Andre Filipovic, Heinz Kleinöder, Joshua Berger, and Michael Fröhlich in Efficacy and Safety of Low Frequency Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) to Improve Health-Related Outcomes in Non-athletic Adults. A Systematic Review, unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29875684 (Abruf am 01.07.2020)
[2] Vgl. Vogelmann, Tim: Elektromyographische Muskelstimulation/Muskelaktivierung (EMS/EMA) im Leistungs-/Breitensport: Trainingseffekte im Vergleich zu konventionellem Training. Hamburg, Diplomca Verlag GmbH 2013, Seite 27
[3] Vgl. Vogelmann, Tim: Elektromyographische Muskelstimulation/Muskelaktivierung (EMS/EMA) im Leistungs-/Breitensport: Trainingseffekte im Vergleich zu konventionellem Training. Hamburg, Diplomca Verlag GmbH 2013, Seite 28